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Endlich hatte ich etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte. Das Bartgesicht hatte einen Namen und eine Geschichte. Kurz nach dem Anruf kamen Remlikovs Fingerabdrücke per Fax, doch meine Augen waren einfach zugefallen.
Ich schlief bis um neun, dann rasierte ich mich und duschte, bevor ich einen ehemaligen FBI-Kollegen anrief und fragte, ob er sich gegen zehn mit mir treffen könnte.
Senil Chumra war ein molliger, liebenswürdiger Inder, dessen Büro nicht im offiziellen FBI-Gebäude in der Innenstadt lag, sondern in einem nichts sagenden Lagergebäude oben an der 18th Street und 10th Avenue mit Blick auf den Fluss. Chumra leitete einen Spezialbereich des FBI, den wir mit CAF bezeichneten.
Computer Assisted
Forensics.
Diese Jungs konnten E-Mails aufspüren, in Computer eindringen, sich
einen Weg durch kodierte Passwörter bahnen oder komplizierte
Verschiebungen von Bargeld auf Auslandskonten nachverfolgen. Ich
hatte mit ihm zusammengearbeitet, um die Zahlungen von
Gewerkschaftsgeldern auf Cavellos Konto auf den Caymaninseln
aufzuspüren. Ein anderes Talent von Senil war die Manipulation von
Digitalbildern.
»Hallo, Nick.« Senil strahlte übers ganze Gesicht, als ich durch
die Tür seines Labors trat. Die Techniker mochten es, wenn einer
der so genannten berühmten Jungs bei ihnen auftauchte. »Hab dich
schon eine Weile nicht gesehen. Wo hast du gesteckt?«
»Mir geht’s ganz gut, Chummie«, log ich. »Viel zu tun.« Diese
Technikkönige hatten sich ihren eigenen Kokon gesponnen, also
bestand kaum die Chance, dass er wusste, was mit mir los war –
oder, in diesem Fall, nicht mit mir los war. »Hast du die E-Mail
bekommen, die ich dir geschickt habe?«
»Habe ich.« Er rollte vielleicht ein wenig enttäuscht hinüber zu
seinem Mac-Bildschirm. »Hab’s hier hochgeladen.«
Als Senil mit der Maus klickte, sprang Cavellos bärtiger Komplize
auf den Bildschirm. »Okay, Nick, was soll ich für dich
tun?«
»Ich möchte das Bild ändern, Chummie, um zu sehen, ob es zu
jemandem passt, den ich kenne.«
Er nickte, beugte sich zum Bildschirm vor und ließ seine
Fingerknöchel knacken. Nach einem weiteren Mausklick erschien ein
Gitter über dem Bild. »Schieß los.«
»Zuerst muss der Bart weg.«
»Das ist einfach.« Senil tippte ein paar Koordinaten ein, woraufhin
das Bild auf ein kleines Quadrat vom Gesicht des Verdächtigen
reduziert wurde. Mit dem Cursor markierte er die Umrisse des
Barts.
»Woran arbeitest du derzeit?«, erkundigte er sich währenddessen.
»Die Sache mit Cavello wurde für euch C-10-Jungs ziemlich brenzlig.
Was meinst du, hat er sein Gesicht verändert?«
»So was in der Art«, meinte ich, ohne auf seine Neugier näher
einzugehen. »Ist nur eine Ahnung.«
»Eine Ahnung.« Er seufzte und ließ das Thema fallen. »Diesen
Vorgang nennen wir ›Transplantation‹«, erklärte er, während er den
Bart um das Kinn herum wegradierte. »Im Grunde genommen eliminieren
wir einen Bereich – eine Hauttönung, eine Narbe, in diesem Fall
einen Bart …«
Und schon hatte der Verdächtige ein glattes Gesicht. »Dann geht’s
ans Transplantieren.« Senil kopierte ein Stück Haut, füllte damit
den überarbeiteten Teil aus und glättete die Ränder. »Ausschneiden
und einfügen.«
»Das ist gut«, sagte ich und beugte mich über seine Schulter. »Was
meinst du, sollen wir versuchen, seine Haare zu verändern? Ganz
kurz geschnitten, nur wenige Millimeter lang. Und ein bisschen
dunkler.«
»Du meinst, so?« Er klickte auf ein Symbol, um ein Menü mit
mehreren Frisuren zu öffnen. Daraus wählte er. eine, die meiner
Beschreibung am nächsten kam, und legte sie über das neu gestaltete
Gesicht.
»Der Haaransatz muss noch ein Stück nach hinten. An den
Seiten.«
Chummie begann, wieder mit dem Cursor herumzuspielen.
»Ja, genau so. Und, können wir jetzt noch die Brille
entsorgen?«
»Schneller als in der Laserklinik.« Er grinste. »Und billiger.«
Etwa eine Minute dauerte der Vorgang.
Die Brille verschwand.
»Eins a!«, rief ich. Das Bild haute mich fast um.
»Noch was, Nick? Wenn du nicht zufrieden bist, gib mir Bescheid.
Ich lasse ihn so aussehen, wie du willst.«
»Nein, Chummie.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Ich glaube, wir
sind fertig.«
Ich nahm das Bild von Kolya Remlikov heraus, das Yuri Plakhov mir
gefaxt hatte, und hielt es neben das veränderte Gesicht von
Cavellos Komplizen.
»Bingo«, sagte Senil Chumra.
Die beiden Männer waren identisch.